Anita Freitag-Meyer ist Mutter zweier erwachsenen Kinder und in dritter Generation die Inhaberin der Keks- und Waffelfabrik Hans Freitag GmbH im niedersächsischen Verden. Was macht diese Frau so besonders? Die Keksfabrikantin führt ihre Firma mit ebenso viel Sachverstand wie Herzblut, durch ihre Adern muss also auch ein bisschen Zucker fließen. Im Interview erweist sie sich als Vorbild für Manager/innen und Unternehmer/innen, die von ihrer innovativen Haltung für eine familienfreundliche Unternehmenspolitik profitieren. Auch Mütter können von ihr lernen: nämlich wie man voller Elan und Entschlossenheit eine außergewöhnliche Karriere und Familie erfolgreich meistert.
Warum sind Frauen, vor allem auch Mütter in der Businesswelt wichtig?
Grundsätzlich gehören Frauen in jedem Part der Gesellschaft mit dazu, daher auch in der Businesswelt. Das ist mein Selbstverständnis. Ich selber habe das Attribut „Mutter sein“ nie als Hemmschuh empfunden, deshalb sagen ich: Frauen gehören immer mit ins Team, um ihre besonderen Fähigkeiten einzubringen. Und auch, weil sie heutzutage sehr gut ausgebildet sind, so dass wir in der Wirtschaft nicht auf sie verzichten können.
Was genau machen für Sie diese besonderen weiblichen Fähigkeiten aus?
Ich erlebe oft, dass Frauen sehr zielorientiert sind. Persönliche Befindlichkeiten oder Hahnenkämpfe, wie wir sie von Männern kennen, gibt es bei Frauen nicht. Sehr positiv empfinde ich im persönlichen Umgang, dass Frauen immer sehr nah an der Sache bleiben.
Sind Sie eine familienfreundliche Arbeitgeberin?
Ja. Ich bin 1. Vorsitzende des Vereins „Vereinbar in Verden. Ein Netzwerk von 70 Unternehmen in meiner Region, die sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf die Fahne geschrieben haben. Wir vernetzen Unternehmen, denen das wichtig ist, wir tauschen uns aus, lernen voneinander, hören Vorträge, spielen Modelle durch, wie die Vereinbarkeit besser klappen kann, um uns als Arbeitgeber für Mütter und Väter attraktiv zu machen. Da übernehme ich eine Art Leuchtturmrolle in unserem Landkreis und demzufolge ist es mir natürlich auch wichtig, das in meinem Unternehmen möglich zu machen und zu leben.
Was würden Ihre Mitarbeiter/innen darüber sagen?
Ich glaube, meine Mitarbeiter/innen nehmen mir ab, dass mir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig ist. Bei uns im Betrieb gibt es eine angstfreie Kultur, meine Mitarbeiter/innenkönnen ihre Bedürfnisse äußern und werden gehört. Es ist auch schon ein leitender Angestellter auf mich zugekommen, ein junger Vater, der um ein Sabbatical bat, weil er eine längere Reise mit seinem Kind machen wollte, bevor es eingeschult wird. Wenn er das als Führungskraft, die nicht mal eben so ersetzt werden kann, organisieren kann mit seinem Team und mir das glaubhaft rüberbringt, dass wir das gemeinsam managen können und auch als Unternehmen überstehen, dann mache ich das möglich. Denn ich bin 100 Prozent davon überzeugt, dass sich die High Potential andere Arbeitgeber suchen, wenn man das nicht tut. Ich bin hier in Niedersachsen auf dem platten Land, da muss ich schon aufpassen, gute Leute zu halten. Im Team gibt es diverse Mütter, die mit dem Wunsch nach Homeoffice auf mich zukamen. Die Mütter haben das ins Leben gerufen. Ich reagiere auch nicht mit Ablehnung, wenn eine Mitarbeiterin sagt: „Ich bin schwanger.“ Im Gegenteil, ich freue mich mit, gratuliere, und dann suchen wir gemeinsam nach einer Lösung, wie wir die neue Situation bestmöglich für die Mutter und das Team arrangieren können.
Welche Strategien sollten Unternehmen verfolgen, um Frauen die Familienplanung oder den Wiedereinstieg nach einer Familienpause zu erleichtern?
Ganz klar ist erst mal, die eigene Haltung zu überdenken, zu einem angstfreien Umgang mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu kommen, so dass weder der Firma noch der Mutter daraus ein Nachteil erwächst. Die Firmenspitze sollte anerkennen, wie wichtig es ist, dass unsere Gesellschaft Kinder bekommt und wir Frauen und Männern möglich machen müssen, mit Familie Führungsposten einzunehmen. Wenn wir das als Unternehmen glaubhaft verkörpern, das ist die Grundvoraussetzung, das muss als Kultur gelebt werden, das ist ein Wert für die Gesellschaft und fürs Unternehmen. Und als zweiter Punkt ist natürlich Flexibilität von Nöten. Es passiert im Alltagsleben immer was. Man muss sich darauf einstellen, dass zum Beispiel mal ein Kind krank wird und Dinge nicht so funktionieren, wie wir es uns vorgestellt haben.
Welche Prozesse haben Sie eingeführt, um Ihr Unternehmen familienfreundlich zu gestalten? Was tun Sie, um Mütter auf dem Erfolgsweg zu unterstützen?
Dazu muss man erst einmal etwas erklären zu meinem Unternehmen. Ich habe 330 Mitarbeiter, 30 davon in der Verwaltung, der Rest sind gewerbliche Mitarbeiter in der Produktion. Wenn ein Team an der Maschine arbeitet, ist die Flexibilität relativ begrenzt, da gibt es keine flexiblen Arbeitszeiten, da kann man nicht Gleitzeit, Vertrauensarbeit oder gar Homeoffice machen. Das geht nicht, das ist Fabrikarbeit. Wir haben uns insofern flexibel aufgestellt, indem wir ein Kontingent an Teilzeitjobs auch beschränkt auf die Frühschicht möglich machen. Sonst erwarten wir von unseren Mitarbeitern, wechselnd im Dreischichtsystem zu arbeiten. Ich kann aber nachvollziehen, dass das eine junge Mutter mit einem Vormittags-Kitaplatz nicht leisten kann. Also gibt es dieses Kontingent, um Mütter zu unterstützen, die nach der Elternzeit wieder einsteigen wollen. Sonst kommen sie am Ende nicht wieder oder sie gehen woanders hin, obwohl sie schon viele Jahre Erfahrung bei uns gesammelt haben. Auch in der Verwaltung haben wir gute Erfahrungen mit dem Wiedereinstieg von Müttern gemacht. Mir ist es, ich sag mal fast egal, wie die Frauen das möchten. So wie sie es wünschen, mache ich das möglich. Ich weiß, unter welchem psychischen Druck Mütter stehen, in welcher Zerrissenheit sie leben, wenn sie die Familie nicht ordentlich auf die Reihe bekommen. Was hilft es mir, wenn ich eine Mutter auf Vollzeit dränge und sie dann mit ihren Gedanken ganz woanders ist? Sie können nach dem Wiedereinstieg mit einem halben Job anfangen und das Arbeitsvolumen langsam wieder steigern, sobald sie die Organisation im Griff haben. Es gibt keine Regeln, ich richte mich wie gesagt nach den Wünschen meiner Mitarbeiterinnen.
Was läuft bei Ihnen besser als bei anderen Unternehmen? Was würden Sie immer wieder tun, um Mütter einzustellen?
Ich kann schwer einen Vergleich ziehen, wie es bei anderen läuft. Was ich aber immer wieder tun würde, ist unterstützen und ein Vorbild sein. Immer zu sagen: Wir Frauen können eben alles haben. Das war immer meine eigene Prämisse im Leben und genau darin möchte ich auch meine Mitarbeiterinnen bestärken. Es muss nicht ein Entweder-Oder sein. Du kannst beides haben. Natürlich ist ein Leben als Mutter, Berufstätige und vielleicht sogar noch Führungskraft enorm stressig. Da als Arbeitgeber Rückendeckung zu leisten und nicht noch mehr Druck aufzubauen, trägt viel dazu bei, dass es dieser Frau gut geht. Und wenn es dieser Frau gut geht und sie in Balance ist, identifiziert sie sich noch mehr mit ihrem Arbeitgeber. Und das ist doch mit ein Schlüssel zum Erfolg – die emotionale Bindung ans Unternehmen.
Was zeichnet Frauen, insbesondere Mütter als Unternehmerinnen aus?
Wenn ich da so an mich zurückdenke: Meine Kinder sind nur 13 Monate auseinander und heute 22 und 23. Als ich sie damals bekam, befand ich mich noch im Aufbau meiner Karriere. Man nennt das glaube ich die Rush Hour des Lebens: noch nicht sehr lang verheiratet, ein Haus gekauft, zwei Kinder, kurz, ganz, ganz viel auf dem Zettel. Ich fühlte mich immer wie ein Jongleur mit 20 Bällen in der Luft und sobald einer runterfällt, bricht alles zusammen…
Aber was habe ich dabei gelernt? Prioritäten zu setzen und auch effektiv zu sein. Ich habe nie getrödelt in dieser Phase. Ich ließ um 16 Uhr meinen Stift fallen, weil ich dann meine Kinderfrau ablösen musste. Dabei habe ich aber nicht weniger geschafft als in früheren oder späteren entspannteren Phasen, wo ich länger im Büro blieb. Als Mutter ist man extrem fokussiert und effektiv, weil man eben beide Welten unter einen Hut bringen will.
Führen Mütter dann auch anders?
Ja, das kann schon sein. Als Mutter ist man ein Vorbild, als Chef auch. Man lebt seinen Kindern wie den Mitarbeitern vor, indem man vorangeht. Mein Team ist mein Zuhause. Bei dem Gedanken, sein Team nicht zu mögen, krampft sich bei mir alles zusammen. Ich liebe meine Mitarbeiter. Neulich hielt ich die Ansprache, dass ich eine zweite Keksfabrik gekauft habe. Es kam tosender Applaus. Einer rief rein: „Wir wollen unsere Chefin aber nicht teilen.“ Da kamen mir fast die Tränen, weil mich diese Verbundenheit trägt und über jede Hürde gehen lässt. Wenn ich meinen Mitarbeitern das wiedergeben kann, haben wir alle etwas davon. Das ist auch der Grund, warum viele Mitarbeiter Jahrzehnte in unserer Firma sind. Diese Identifikation, das Gefühl, das man miteinander teilt, ist ein großes Pfund in einem Familienunternehmen.
Was würden Sie Unternehmen empfehlen, um Mütter als potentielle Mitarbeiterinnen anzuziehen?
Diese familienfreundliche Haltung sichtbar zu machen, wir haben doch heute durch Social Media so viele Möglichkeiten. Es darf natürlich keine Mogelpackung sein, ich darf mich nicht als familienfreundlich verkaufen und dann ist davon im Team nichts spürbar. Authentizität ist für alles ein Schlüssel. Ich würde darüber sprechen, um Mütter als Mitarbeiterinnen anzuziehen. Ich bin ja ohnehin sehr transparent und kommunikativ. Und ich mache sehr gute Erfahrungen damit. Ich erlebe das oft in Vorstellungsgesprächen: Sobald ich mich und unser Unternehmen präsentieren will, winken Bewerber oft schon ab und sagen: „Ach, Frau Freitag-Meyer, das weiß ich ja schon alles, ich hab Sie ja im Internet gesehen. Sie zeigen auch immer Ihre Produkte. Ich weiß auch, dass Sie privat gern stricken…“ Bewerber und Bewerberinnen haben im Vorstellungsgespräch keine Angst vor mir. Ich bin ihnen schon sehr bekannt; sie haben bereits meine Stimme gehört, sie wissen, dass ich zwei Kinder und zwei Hunde habe. Ich benutze die sozialen Medien nicht als Marketinginstrument, ich will Nähe aufbauen – ohne zu viel von meinem Privatleben preisgeben zu müssen.
Worauf sollten Frauen mit Kinderwunsch oder auch Mütter bei der Bewerbung und im Einstellungsprozess achten?
Ich finde, es gibt auch eine Verantwortung der Mitarbeiterin mir gegenüber als Arbeitgeberin. Sie hat die Pflicht, gut organisiert zu sein. Wenn mir eine Mutter oder auch ein Vater gegenübersitzt und das Thema Kinder kommt, möchte ich auch hören: „Das läuft. Das klappt. Das habe ich organisiert. Machen Sie sich darüber keinen Kopf.“ Denn nichts ist schlimmer als chaotische Verhältnisse: „Ich kann heute nicht. Ich muss morgen weg. Ich kann da nicht sein und muss absagen…“ Ich gehe alles mit, aber wenn täglich Trouble entsteht, will ich das auch nicht.
Womit können Mütter Sie als Arbeitgeberin begeistern?
Mich überzeugt ein Plan. Eine Mutter ist ja keine per se schützenswerte Spezies. Für mich ist es normal, Mutter zu sein. Und es ist schon gar kein Makel. Je normaler und natürlicher wir alle damit umgehen, um so selbstverständlicher werden Kinder und Karriere doch. Wenn also eine Frau bei der Einstellung sagt: „Ja, ich bin Mutter, wir haben zwei oder drei Kinder und das so und so aufgeteilt, mein Mann macht mit…“, dann finde ich das großartig. Dieser Bereich des Lebens muss ja organisiert sein. Wenn wir dann über unvorhergesehene Zwischenfälle sprechen, das ist menschlich und das passiert. Aber grundsätzlich möchte ich schon, dass mein Gegenüber einen Plan hat. Das zeigt ja, dass man sich Gedanken über die eigene Karriere macht. Wenn eine Mutter sagt: “Frau Freitag-Meyer, ich bewerbe mich jetzt auf eine Halbtagsstelle, aber das reicht mir perspektivisch nicht. Ich möchte mehr Geld verdienen. Ich strebe eine höhere Position an. Oder ich frage:, „Wo sehen Sie sich in drei Jahren?“ und sie antwortet: „Dann möchte ich Vollzeit arbeiten und eine Leitungsfunktion haben.“ Wer so zu mir kommt, wow, das find ich gut. Frauen sollten sich immer um ihren eigenen Lebensweg kümmern und für sich sorgen, auch, was die finanzielle Seite angeht. Wie viele Frauen kommen nie wieder in den Job, den sie mal hatten. Da muss man am Ball bleiben. Wenn das nicht klappt, reden wir im schlimmsten Fall von Altersarmut. Ein Mann ist keine Altersvorsorge.
Hatten Sie weibliche Vorbilder?
Meine Großmutter war der Inbegriff einer Powerfrau. Sie hat mit 39 die Keksfabrik übernommen und hatte drei minderjährige Kinder. Dieses Entweder-oder-Denken habe ich nie erlebt. Bei uns arbeiteten alle Frauen. Meine Großmutter, meine Mutter, meine Tante ebenso. Ein weibliches Vorbild zu haben, ist ja nicht nur für Töchter wichtig, sondern auch für Söhne, ihren späteren Frauen gegenüber. Die jungen Menschen haben heutzutage ein gleichberechtigtes Rollenverständnis. Mein Sohn sagt: „Natürlich wollen wir Kinder, aber meine Freundin möchte erst mal Karriere machen. Wenn sie nicht vorher Fuß fasst, hat sie Angst, umsonst studiert zu haben oder nie irgendwo richtig reinzukommen.“ Das kann ich nur unterstützen. Ich glaube, auch ich bin für meine beiden Kinder, die Tochter, wie den Sohn, ein Vorbild.
Wie ist es Ihnen gelungen, Familie und Karriere zu vereinen?
Da muss ich dazusagen, dass ich in einer privilegierten Situation gewesen bin und mir immer eine Hilfe leisten konnte. Es war nicht nur das Netzwerk der Familie, ab dem 3. Monat, nachdem mein Sohn geboren wurde, hatte ich eine Vollzeit-Haushaltshilfe, die mir unter die Arme griff. Wenn ich dann nach Hause kam, konnte ich 100 Prozent für meine Kinder da sein. Ich finde, man braucht immer eine Rückfallebene, damit man nicht alles allein machen muss. Und um Hilfe bitten – kaum jemand sagt wirklich nein, wenn man nach Unterstützung fragt. Frauen denken oft, alles allein schaffen zu müssen. Das ist jedoch ein Trugschluss. Unterstützung gibt es vielfach, aber man muss sie auch annehmen können. Manchmal glauben Mütter ja, dass nur sie selbst am besten für ihre Kinder sorgen können. Da war ich relativ entspannt. Ich wollte ein stabiles Umfeld, ohne wechselnde Betreuungspersonen haben. Ich wollte Rituale einhalten, um Ruhe ins Leben der Kinder zu bringen.
Was war die größte Angst, die größte Herausforderung auf diesem Weg?
Angst hatte ich gar nicht so. Ich habe mir das immer zugetraut und hatte ein Urvertrauen in mich, in mein Bauchgefühl, meine Familie, meinen Mann, dass alles schon gut wird. Wenn ich gespürt hätte, etwas würde aus dem Ruder laufen, sei es meine Führungsaufgabe oder seien es meine Kinder, dann hätte ich einen anderen Weg eingeschlagen, eine Maßnahme ergriffen und etwas anders gemacht. Es hat aber alles so schön funktioniert, dass wir eine sehr, sehr enge Bindung zu den Kindern haben und dass sie perspektivisch sogar meine Aufgabe übernehmen wollen. Für sie war die Firma nicht der Feind, der ihnen die Mutter wegnimmt, sondern sie spüren eine hohe Identifikation mit dem Betrieb und mit meiner Aufgabe. Und sie freuen sich sehr darauf, mehr darüber zu lernen und auch mitzumachen. Ich habe es als Kind so empfunden, dass die Firma immer mit am Tisch sitzt und man die Eltern auch teilen muss mit dem Unternehmen. Und offensichtlich war das bei uns ok.
Gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden? Oder anders gefragt: Was würden Sie sich als junge Mutter heute raten?
Den Perfektionismus abzulegen – das ist die Falle, in die wir Mütter alle tappen. Wenn im Kindergarten Laternen gebastelt oder Erntedankkörbchen gesteckt wurden, habe ich gesagt: „Das kann ich nicht, da habe ich keine Lust zu.“ Dann habe ich abgegeben und meine Schwiegermutter gefragt, um mir diesen Druck nicht auch noch aufzubauen. Anfangs, als junge Mutter dachte ich noch: Oh Gott, muss ich das jetzt auch noch machen… Kuchen backen, die tollsten Geburtstagspartys ausrichten und eine gute Managerin und Geschäftsführerin sein? Mittlerweile weiß ich: Eine Mutter muss manchmal Abstriche machen. Halb gut ist oft auch gut genug.
Wie sehen Sie als Frau die Digitalisierung? Können berufstätige Mütter davon profitieren?
Ich sehe da nur Chancen. Im gewerblichen Bereich gibt es natürlich Präsenzpflicht, das sind in meinem Fall die Fabrikarbeiterinnen. Aber alles, was Büroarbeit betrifft, bietet in der Zukunft eine enorme Freiheit für Mütter, wenn sie bereit sind, online erreichbar zu sein. Denn wo man die Arbeit erledigt, ob am Schreibtisch oder im Homeoffice, das ist zweitrangig. Ein anderes Beispiel: Ich habe hier in der Firma eine Whatsapp-Broadcast-Funktion, das nennt sich Keksfunk. Von 330 Mitarbeitern sind 160 auf dieser Liste und ich kann ihnen Videos oder schriftlichen Nachrichten in die Gruppe schicken. Das ist aber kein Hin- und Herchatten, sondern ein Tool, das ich sehr genieße, um meinem Team schnelle Informationen zukommen zu lassen. Eine Betriebsversammlung für die ganze Belegschaft mache ich nur einmal im Jahr, weil das sehr aufwändig ist, da die Bänder dann stillstehen müssen. Aber über Whatsapp kann ich meinen Mitarbeitern, wenn ich in Brasilien im Supermarkt stehe, mal eben ein Live-Video senden und ihnen sagen, wie cool ich es finde, dass wir unsere Produkte sogar in diesem Markt vertreiben. Oder wenn wir an einem Tag eine Rekordmenge produzieren, kann ich mich bedanken, dass sie sich so reingehängt haben. So halte ich den Kontakt zu den einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, was mir sonst gar nicht möglich wäre. Ich bin fast immer online, manchmal überfordere ich meine Leute vielleicht damit. Ich sehe darin einfach große Möglichkeiten, insbesondere für Mütter. Natürlich muss es Regeln geben – und wenn man sich gegenseitig respektiert, dann nutzt man das auch nicht aus. Mir fällt die Arbeit leichter, wenn ich Dinge abgeben kann. Deshalb schenke Vertrauen und gehe damit in Vorleistung.