„GUTE KOMMUNIKATION UND GEGENSEITIGES VERTRAUEN ALS PAAR SIND DER SCHLÜSSEL FÜR ERFOLGREICHES FAMILIEN- UND KARRIEREMANAGEMENT“. Geschäftsführerin eines Familienunternehmens Eve Sigel und ihre Tochter, Politikwissenschaftlerin Lynn Sigel im Gespräch
ShePotential richtet sich an Mütter, die nach der Familienzeit ins Berufsleben zurückkehren wollen. Die Mutterschaft geht nicht selten mit einem Karriereknick und Einbußen in beruflicher Verantwortung und Gehalt einher.
Aber was ist eigentlich mit den heutigen jungen Frauen, die Karriere machen und sich gleichzeitig auch eine Familie wünschen? Machen sie es heute anders. Ein Gespräch über Familien- und Karriereplanung mit der Unternehmerin Eve Sigel und deren Tochter Lynn Sigel hat uns einen Einblick zum Thema Mutterschaft und Karriere gegeben:
Lynn ist Politikwissenschaftlerin BA und arbeitet momentan als freie Journalistin und Fotografin in München. Sie kommt aus einer Unternehmerfamilie: Seit 1736 ist die Bäckerei in Familienbesitz.
Eve Sigel ist Geschäftsführerin der Bio Bäckerei Scholderbeck, Ehefrau und Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Seit 1994 wird dort ausschließlich nach den Richtlinien des Bioland Landesverbandes gebacken. Das biologisch angebaute Getreide beziehen sie ausschließlich aus der Teck Region. Inzwischen ist die Bäckerei Scholderbeck die größte Bio Bäckerei im Land und beschäftigt 160 Mitarbeiter/innen.
Eve, du bist seit 25 Jahren Geschäftsführerin und fast parallel dazu Mutter von mittlerweile einer erwachsenen Tochter und einem erwachsenen Sohn. Was würdest du sagen ist der Erfolgsschlüssel für Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus deiner persönlichen Erfahrung?
Manchmal frage ich mich schon, wie haben wir das eigentlich alles geschafft? Mein Mann und ich sind in unseren Betrieb seit 25 Jahren, 24 Std. und 7 Tage die Woche arbeitet dieser Betrieb. Wir sind von 8 auf 160 Mitarbeiter gewachsen und haben 2 Kinder großgezogen. Ich glaube unser Erfolgsrezept war einerseits, dass mein Mann und ich uns sehr früh was Arbeit und Familie angeht als Team verstanden haben. Ich hatte auch Glück, denn es war von Anfang an selbstverständlich, dass wir unsere Rollen und Verantwortlichkeiten als Eltern und Geschäftsführer unseres Betriebs teilen. Ob Einsätze im Kindergarten oder im Unternehmen, die gute Kommunikation miteinander und das gegenseitige Vertrauen hat uns geholfen diesen Alltag miteinander zu bestehen und auch Raum gegeben, dass sich jeder von uns weiter entwickeln konnte. Einfach war das nicht und um ehrlich zu sein, viele Jahre haben die Themen Familie und Unternehmen uns zu 100% ausgefüllt. Als Frau habe ich vor allem gelernt meinem Mann Freiräume zu lassen, wie er die Dinge tut. Ja, die Gerichte waren anders, vielleicht waren die Haare der Kinder auch nicht immer so gekämmt, wie ich das gemacht hätte, aber das ist in einem Team in dieser Situation zweitranging. Und genau dieses Vertrauen in den Partner und anderen Elternteil ist das, was dann letztendlich den Erfolg gepaart mit einer guten Kommunikation ausgemacht hat.
Ich beobachte auch mit Freude in unserem Betrieb, dass da eine neue Generation Eltern heranwächst. Die meisten Papas haben keine Lust mehr „nur“ Feierabend Papa zu sein und streben andere Modelle und Rollenverteilungen an.“
Eve, was würdest du sagen, was sind deine Hauptqualitäten im Unternehmen und was sollten deiner Meinung nach Frauen an Qualitäten im Job entwickeln?
Mein Mann würde sagen ich bin der Innenminister und er der Außenminister. (lacht) Ich nenne die Dinge beim Namen. Ich bin klar und direkt mit unseren Mitarbeitern, habe aber von meinem Mann gelernt, dass man auch mal über etwas schlafen kann. Mein Mann im Gegenzug, dass sich nicht immer alles von alleine löst. Ich habe in meinem Betrieb erfahren, dass Frauen ja sagen, aber es nicht immer wirklich meinen und dann konsequent durchziehen können und ihr Ja dann zurückziehen. Hier würde ich raten, dran zu bleiben und Ausdauer zum einen zu trainieren und auch Hilfe von außen mehr in Anspruch zu nehmen.
Lynn, deine Mutter war immer in einer Doppelrolle, wie hast du das in deiner Kindheit wahrgenommen und was hast du daraus gelernt?
Grundsätzlich war der Fokus meiner Mutter nicht nur auf uns, sondern eben auch auf ihren Beruf, der immer sehr präsent war. Das hat mich sehr früh selbstständig gemacht, wo andere Kinder mehr Kontrollmechanismen von ihren Eltern hatten. Das hatte bei uns keine Priorität. Trotzdem wurde mir viel ermöglicht. Meine Mutter hatte eben manchmal den Laptop dabei, wenn sie mich ins Ballett gebracht hat, und arbeitete bis ich fertig war. Als ich dann Teenager war musste ich dann schmunzeln, als meine Mutter wollte, dass ich nachts ans Bett komme, und sage wenn ich zuhause bin.
Gelernt habe ich selbstsicherer durch das Leben zu gehen. Obwohl ich mit meiner Mutter über alles offen reden kann, habe ich früh gelernt meine Probleme selbst zu lösen.
Lynn, was hast du aus euer Familiensituation gelernt, insbesondere von deiner Mutter gelernt?
Ich habe definitiv eine hohe Arbeitsmoral und Disziplin. Das kommt sicherlich daher, dass ich immer mitbekommen habe, dass man einfach viel Einsatz bringen muss, um wirklich etwas zu erreichen. Ein Job, 9-5, den Tag irgendwie rumbringen, gab es bei uns nicht.
Bei uns wurde gearbeitet, bis die Arbeit erledigt war. Alles. Das hat sich auch positiv auf mein Berufsleben ausgewirkt. Ich habe außerdem noch nie darüber nachgedacht, dass ich als Frau nicht alles schaffen kann. Durch meine Mutter und meine Oma habe ich einen Glaubenssatz tief verankert, ich denke tatsächlich, dass mir alle Türen offenstehen und ich alles machen kann was ich will. Meine Mutter gibt mir immer Zuspruch, wenn ich Zweifel habe, dass ich alles schaffen kann. Obwohl ich manchmal nicht sicher bin, ob ich tatsächlich so stark bin, wie meine Mutter. Eve: “doch, das bist du! (beide lachen) Es ist doch wichtig auch mal Zweifel zu haben und sich in Frage zu stellen, sonst wird es bedenklich und man entwickelt sich nicht mehr“.
Lynn: “ Zusammenhalt war bei uns auf jeden Fall nie eine Frage. Ich wusste immer, auch wenn meine Eltern sehr beschäftigt waren, dass ich zu ihnen kommen konnte.
Eve, was würdest du heute im Rückblick anderes machen? Und was würdest du Müttern heutzutage beim Wiedereinstieg raten?
Ich habe sicherlich Fehler gemacht, aber im Großen und Ganzen, haben wir alles ganz gut hingekriegt. Uns war Beruf und Familie sehr wichtig und daher würde ich im Rückblick nichts anders machen. Wir waren uns als Ehepaar einig, dass wir uns persönlich um beides kümmern wollen. Sicherlich hat nicht jeder die Möglichkeiten und die Flexibilität, die wir hatten, aber wir haben uns das auch erarbeitet. Es braucht eine große Portion Wille und Kreativität.
Ich würde Müttern als erstes raten mit dem Partner intensive Gespräche zu führen. Das muss kompatibel sein. Die Lösungen müssen gemeinsam erarbeitet werden. Ich finde es wunderbar, wenn ein Kind in den ersten 3 Lebensjahren eine Bezugsperson hat. Am besten ist es, wenn das Mama und/oder Papa sind. Als zweites würde ich Frauen immer raten an ihren Jobs dranzubleiben, auch während der Elternzeit. Das kann durch lesen, Weiterbildung oder Austausch mit Kollegen sein. Zudem gibt es durch die Digitalisierung so viele neue Möglichkeiten für Mütter heute auch von zuhause aus zu arbeiten.
Lynn, wie siehst du das Thema Familienplanung?
Wenn ich von mir ausgehe, wünsche ich mir einerseits eine Familie. Andererseits sehe ich wie viel Einbußen man als Frau hat, wenn man einen klassischen Weg wählt und als Mutter eine Zeit zuhause bleibt. In meinem Fall wäre das auf jeden Fall so, weil mein Partner als Leistungssportler viel unterwegs ist und für uns rein logistisch eine Aufteilung der Elternzeit eher nicht realisierbar ist. Daher bereitet mir das Thema schon Sorgen. Der Dialog mit meinem Partner hilft mir jedoch dabei und es wird vermutlich so sein, dass ich mich früh um eine Betreuung kümmern werde, und als Mutter auf jeden Fall einen flexiblen Job in Betracht ziehe. In meinem momentanen Job beobachte ich erfreulicherweise, dass der Trend dahin geht, dass sich Väter wie Mütter um ihre Kinder kümmern. Das erfordert Flexibilität und manchmal bedeutet das auch, dass privat und geschäftlich sich etwas mehr vermischen werden, weil man eben abends noch die Emails von der Couch beantwortet, nachdem die Kinder im Bett sind.
Eve, was würdest du Müttern beim Wiedereinstieg raten?
Wir haben ca. 40 Mütter in unserem Unternehmen, die auch noch die Versorgung ihrer Kinder steuern müssen. Ich rate diesen Müttern immer ehrlich und soweit es geht realistisch zu starten. D.h. ggf. erst mal mit weniger Stunden zu starten. Aufstocken ist in der Regel leichter, als wieder Stunden runterfahren. Und moralisch betrachtet ist das Aufstocken auf jeden Fall auch angenehmer.
Zudem würde ich Müttern raten Arbeitgeber zu suchen, die flexible Arbeitszeiten anbieten und eine offene Kommunikation bei Veränderungen in der Familie anbietet.
Wir spielen diese Themen auch zum Teil immer in die Teams zurück. Fairness und Verantwortung spielen hier im Team auch eine Rolle. Wenn eine Mutter z.B. 3 Jahre die Annehmlichkeiten für fixe Arbeitszeiten hatte, kommt nach Teambesprechungen jetzt vielleicht eine andere Mutter zu diesem Privileg. Für diese Art von Steuerung mit offener Kommunikation und gelebter Flexibilität muss heute ein Unternehmen offen sein, wenn sie langfristig Mütter einstellen wollen.